Was ist an einem gut eingespeichten Laufrad wichtig?

Willkommen in unserer Bastelstunde!

Magie? Voodoo? Zauberei?

So mancher Mechaniker macht aus dem Einspeichen eines Laufrades einen Akt der Magie. Etwas magisches ist dabei aber nicht notwendig. Die immense Belastbarkeit des filigran wirkenden Gebildes hat einen simpel wirkenden Hintergrund: Jede einzelne Speiche will die Felge in Richtung Nabe ziehen. Da dies jede Speiche versucht, gelingt es im Endeffekt keiner. Die Kraft mit der eine Speiche die Felge in Richtung Nabe ziehen will, muß also für alle Speichen gleich sein.

Im folgenden wird der Einfluß der einzelnen Komponenten auf die Stabilität eines Laufrades kurz erklärt.

Speichenspannung

Die Speichenspannung sollte so hoch wie möglich gewählt werden. Die Felge wird von vornherein unter höherer Spannung gesetzt, die Verformung unter den einwirkenden Kräften ist dann kleiner. Der verminderte Fahrkomfort wirkt sich bei voll gefederten Rädern nicht aus. Die Felge muß aber für die hohen Spannungen ausgelegt sein sonst kann sie kollabieren. Bei einer Krafteinwirkung von der Seite nimmt die Felgen dann prompt die Form der berühmten 8 an. Daher muß die Spannung in der Speiche zu den verbauten Komponenten passen. Nicht zu hoch, nicht zu niedrig.

Zusammenfassend ist folgendes wichtig: Die Speichenspannung sollte so hoch wie möglich sein und zu den verbauten Komponenten passen und am ganzen Laufrad gleich sein.

Was recht einfach klingt, ist schwierig zu realisieren. Gleiche Speichenspannung läßt sich noch "erfühlen" und/oder messen. Die zur Felge und Speichenzahl passende Spannung ist schwierig herauszufinden und beruht bei handgespeichten Laufrädern auf Erfahrung des Laufradbauers.

FelgeSchnitt Felgenprofil

Die Felge hat einen wesentlichen Einfluß auf die Stabilität eines Laufrades. Auf die zahlreichen verschiedenen Felgen kann hier nicht im Detail eingegangen werden. Grundsätzlich gilt: Je größer die Wandstärke der Felge und die Schnittfläche des eingeschlossene Hohlraus im Felgenprofil (im Bild rot schraffiert) desto steifer ist der Felgenring, der Widerstand gegen Verformung (sowohl elastisch, als auch plastisch) ist größer.

Felgen die mit Felgenbremsen kombiniert werden, benötigen außerdem eine stärkere Seitenwand als deren Scheibenbremsenvarianten. Warum? Nun, weil dort die Bremsgummis reiben und zusammen mit Wasser und Dreck das Aluminium abschleifen. Diese Felgen sind Verschleißartikel. Nur Felgen mit keramikbeschichteten oder anders verschleißgeschützten Flanken setzen dem Verschleiß größeren Widerstand entgegen. Viele moderne Felgen für Felgenbremsen haben Kerben oder Einbuchtungen die die Verschleißgrenze anzeigen sollen.

Die Bohrungen der Nippel können doppelt, einfach oder garnicht geöst sein. Wenn Ösen komplett weggelassen werden, muß der Felgenboden verstärkt sein. Geöste Felgen sind einfacher zu zentrieren.

NippelSpeichennippel

Speichennippel sind üblicherweise aus Messing. Die leichteren und teureren sind aus Aluminium. Das gesparte Gewicht von Aluminiumnippeln bewegt sich bei einigen Gramm, ist also nur bei Leichtbau Laufrädern interessant. Grundsätzlich sind Laufräder mit Aluminiumnippel genauso stabil wie Messingnippel, aber das Zentrieren muß mit besseren Werkzeug erfolgen da sie leichter rund gedreht werden können.

Wichtig um ein haltbares Laufrad herzustellen: Die Speiche muß im angezogenen (gespannten) Zustand über den Felgenboden hinausgehen. Anders formuliert: Die Speiche muß den Nippel auf seiner gesamten Länge unterstützen. Nur dann ist ein Speichennippel gegen Abreißen gesichert, egal ob Messing oder Aluminium.

Sichern gegen Lockern: Wenn die Speichenspannung hoch genug ist, lockern sich Nippel nicht. Bei manchen Laufrädern kann dies aber nicht gewährleistet werden, zB. im Leichtbau wo sehr leichte Felgen nicht unter die notwendige Spannung gesetzt werden können. Dort ist es dann notwendig, die Nippel mit mittelfesten Schraubenkleber zu sichern. Das erschwert aber das spätere Zentrieren enorm.

Speichen

Die Speichen arbeiten gegen alle von außen wirkenden Kräfte als ein Team: Sie teilen die Lasten untereinander auf, so daß jedes einzelne Bauteil nur einen Bruchteil der Gesamtbelastung tragen muß. Die unter Druck stehenden Speichen werden entlastet, die restlichen Speichen nehmen die Mehrbelastung auf, unter der Zugbelastung "längen" sie sich ein wenig. Das können sie umso besser je dünner sie sind. Gleichzeitig treten die größten Belastungen im Speichenbogen – dort müssen die Kräfte um die "Ecke" – und im Gewinde der Speiche auf.

Aus diesem Grund entstanden die Doppel-Dickend-Speichen oder endverstärkte Speichen. Durch diese Speichen bleiben auch bei höchsten Belastungen Elastizitätsreserven bestehen, die der Lebensdauer und Belastbarkeit des Laufrades zugute kommen. Die gängigsten DD-Speichen haben einen Durchmesser von 2.0mm am Speichenbogen, 1.8mm in der Mitte und 2.0mm am Gewinde. Abgekürzt wird dies meist mit: 2.0-1.8-2.0

Als bestes Speichenmaterial hat sich rostfreier Stahl bewährt. Verchromte Stahlspeichen sind spröder und brechen daher früher. Titanspeichen haben sich seit 1990 nicht einmal im Leichtbau durchgesetzt, da sie kaum leichter sind als die leichtesten Stahlspeichen bei deutlich reduzierter Haltbarkeit des Laufrades.

Die Oberfläche der Speichen sollte besonders im Speichenbogen möglichst glatt sein, körnige oder wellige Verformungen deuten auf eine zu hohe Schädigung während der Fertigung hin. Es kommt dann an dieser Stelle zu Rißbildungen und damit zu einem frühzeitigen Speichenbruch.

Nabe

Auch die Nabe beeinflußt die Stabilität eines Laufrades wesentlich. Der Flanschabstand sollte nicht zu gering sein, damit der Speichenwinkel nicht zu klein wird. Die Flanschdicke sollte nicht zu klein sein, damit der Speichenbögen sich gut an den Flansch schmiegen kann. Bei Flanschbreiten unter 3mm sollten Speichen mit dünnen Beilagscheiben verbaut werden. Das ist je nach Kombination Nabe-Speiche verschieden. Aus demselben Grund und um genügend Sicherheit gegen Risse im Flansch zu bieten, sollten die Speichenlöcher nicht zu groß sein.

Setzen

Was versteht man unter "setzen", "recken", "strecken", "abdrücken" .. der Speichen oder des Laufrades?
Alle Bauteile eines Laufrades passen nicht 100%ig ineinander. Der Speichenbogen hat einen anderen Radius als der Nabenflansch vorgibt, der Speichennippel liegt schief in der Felge, die Speichen liegen aufeinander und reiben aneinander, usw. Dh. bringt man einfach alle Speichen auf dieselbe Spannung, beschreibt eine vielleicht einen kleinen Bogen, die nächste liegt gerade, bei der übernächsten Speiche liegt der Speichenkopf nicht ganz im Loch, .. bei Belastung entladen sich diese Ungenauigkeiten, das Laufrad läuft nicht mehr "rund". Die Speichenspannung ist ungleich, manche Speichen und die Bauteile um diese werden überlastet, das Laufrad hält nicht. Daher ist es notwendig, diese Ungenauigkeiten loszuwerden. Das wird während des Zentriervorganges durch vorzugsweise seitliches be- und entlasten des Laufrades erreicht.

Vorgangsweise

Während dem Zentrieren mehrmals das Laufrad um den ganzen Umfang herum auf eine Seite drücken. Am einfachsten legt man die Nabenachse auf ein Holzstück und drückt dann mit beiden Händen die Felge nach unten. Dreht das Laufrad ein paar Grad und wiederholt die Prozedur so lange bis keine Geräusche mehr zu hören sind. Dann wendet man das Laufrad und führt das ganze auf der anderen Seite durch. Wird dies wiederholt, bis das Laufrad präzise läuft und der Lauf sich nach dem "abdrücken" nicht ändert, ist das Laufrad perfekt.

Zusammenfassung

Laufräder werden nicht durch esoterische Maßnahmen stabil, sondern nur durch Physik!